DIE HELDENREISE DES ASTRONAUTEN
MYTHOLOGISCHE BETRACHTUNGEN
von
FRANK MOULIN
Das Ereignis und zugleich der Ruf, welcher die Reise des Helden auslöst, ist der Beginn der Expedition, also der Flug zum Mond. Mythologisch: Immer ist die Reise auch ein Abenteuer und das Abenteuer eine Reise ins Unbekannte. Der Held/Astronaut folgt diesem Ruf zum einen freiwillig (Berufung, Abenteuerlust …) und zum anderen erhält er auch einen Auftrag (Weltraumbehörde und Arbeitgeber). Die Vorstellung vom energieintensiven Abheben der Rakete von der Erde, drückt bildlich recht gut die Trennung, also Überwindung der Schwerkraft, und mythologisch die Begegnung mit dem „Wächter der Schwelle“ aus. Auch seine Familie, besonders sein 4-jähriger Sohn, lassen den Helden sehr ungern gehen, zeigen ihm wie sehr sie ihn brauchen. Diese emotionale Situation ist für den Helden eine Herausforderung (Prüfung und Schwelle in der alten Welt) und wird ihn auch, wenn auch nur kurz, zweifeln/zögern lassen (innerer Konflikt). Würde der Held den Beeinflussungen, dem Hin- und Hergerissen sein, nachgeben, so würde der nächste Ruf sicherlich nicht lange auf sich warten lassen.
ÜBERSCHREITEN DER SCHWELLE – ALTE UND NEUE WELT
Alte und neue Welt sind symbolisch durch zwei recht unterschiedliche Himmelskörper – Erde und Mond – gut nachvollziehbar. Gleichzeitig wird auch ihre Verbindung und Abhängigkeit deutlich (Erdplanet und sein Trabant). Das Neue und Unbekannte sind für den Astronauten mehr als nur ein Abenteuer, die Mission zum Mond – er ist quasi überwältigt von seiner neuen Entdeckung/Erfahrung. Der Held verliebt sich in den Mond und beschließt dort zu bleiben oder besser: Im Moment der Erkenntnis (physisch + emotional) hat er keine andere Wahl, als dem starken Gefühl nachzugeben. Doch ist das dauerhafte Leben auf dem Mond wirklich die Berufung des Helden/Astronauten? Denn er hat in der alten Welt eine liebevolle Familie zurückgelassen und wird sie schon bald vermissen …
Seine als Gefährten/Verbündete noch nicht erkennbaren Begleiter, sind die Sterne in seiner Nähe bzw. die Nachbarn des Mondes. Die erste Prüfung/Bewährungsprobe steht bevor. Er möchte unbedingt seiner Familie zeigen, wie sehr er an sie denkt und vermisst. Doch gleichzeitig will er die neue Welt, den unbekannten Mond, der ihn so sehr fasziniert und auch anzieht (die Gesetze des Weltraums wirken hier wie eine Schwelle), nicht verlassen.
PRÜFUNGEN/BEWÄHRUNGSPROBEN FÜR DEN HELDEN
Der Held ist einfallsreich. Auf ganz besondere Weise grüßt er seine Familie, indem er einmal im Monat etwa einen Tag lang die gesamte Raumschiffsbeleuchtung einschaltet. Auf der Erde wird dieser Tag – genauer die Nacht – sehr intensiv wahrgenommen und allgemein als VOLLMOND bezeichnet. Doch für die Frau und den Sohn des Helden ist es natürlich mehr, denn sie wissen (fühlen) genau, wer für diese leuchtende Nacht verantwortlich ist und welche Absicht dahinter steht. Der Held hat seine erste Prüfung in der neuen Welt bestanden.
Die „Nacht der Seele“ (Tiefpunkt auf der Reise des Helden) naht und nun muss der Held beweisen, ob er reif ist – also Mut und Berufung ausreichen – für die „Initiation“ (Einweihung, Anstoß, Impuls) und mit dem „Magischen Geschenk“ (Belohnung, Elixier), das er dann erhält, in die alte Welt zurückkehren kann. Eine Rückkehr zur Erde ist dem Helden zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst.
DIE NACHT DER SEELE – DER TIEFPUNKT
Nach vielen Jahren fehlerfreier Arbeit haben die Batterien des Raumschiffes nun ihr Lebensende erreicht. Die innere und (noch) unbewusste, wichtigere Mission des Helden ist gefährdet. Ohne Batterien erhält er keinen Strom für die Beleuchtung und der allmonatliche Vollmond wird nicht mehr leuchten. Die symbolische und emotionale Verbindung zwischen dem Astronauten und seiner Familie ist somit abgebrochen. Dieser innere Konflikt überschattet nun sein Leben und Dasein.
Der Held dringt in die „Nacht der Seele“ ein. Eine passende Metapher, da das erloschene Licht auf dem Mond nun von der Dunkelheit oder der dunklen Seite des Mondes ersetzt wird. Und damit verdunkelt sich auch die Seele des Astronauten. Da er trotz aller Anstrengungen keine Lösung für sein Problem findet, scheint seine Lage aussichtslos und er sinkt in eine verzweifelte und traurige Stimmung. Der Tiefpunkt seiner Heldenreise ist erreicht. Zugleich erfährt der Held in dieser Phase seine wahre Berufung – sein Unbewusstes tritt hervor und offenbart dem Helden sein wahres Selbst und somit auch das, was er wirklich braucht: seine Familie. Ebenso ist diese bewusste Erfahrung umso schmerzlicher, da ihm seine – für ihn scheinbar/offensichtlich – aussichtslose Lage deutlich wird. Denn dem Astronauten ist auch klar geworden, dass er mit seinem Raumschiff nicht mehr zur Erde zurückkehren kann.
Doch genau jetzt kommen ihm seine – bis hierher noch unbekannten/nicht geahnten – Gefährten/Verbündeten (aufgrund der Vielzahl wohl eher Gefährten bzw. Verbündete; in der Bedeutung der Hilfe mehr Mentoren) zu Hilfe. Nicht ganz zufällig steht der STERN – auch sonst im Leben – für eine günstige Fügung des Schicksals. Der Besuch und die Zusammenkunft der vielen Sterne auf dem Mond überrascht und erfreut den Astronauten außerordentlich. Sie bringen ihn dazu, seine Geschichte von Anfang an zu erzählen.
UNBEKANNTE GEFÄHRTEN/VERBÜNDETE
WERDEN DIE NEUEN FREUNDE DES HELDEN
Die Sterne sind sehr berührt und können nachfühlen, in welcher schwierigen Situation sich der Astronaut befindet. Nach einer Weile der Diskussionen, Überlegungen und dem Austausch von Ideen unter den Sternen, findet und präsentiert ein kleiner, zurückhaltender Stern die Lösung für den Helden und seine Familie.
Alle Sterne und der Held sind erfreut und glücklich über die Idee einer Sternenkette, an der unser Held zur Erde und somit zu seiner Familie hinabsteigt. Dem Helden wird nun allerdings auch bewusst, dass er seine geliebte neue Welt verlassen muss. Ein Moment des Innehaltens, inneren Schmerzes als Abschied vom Mond (Schwelle/Ambivalenz). Doch der Held ist stark und kennt nun sein „wahres Ziel/Bedürfnis“. Dem Ziel geht immer ein Bedürfnis voraus. Das Ziel drückt aus, was ich will, das Bedürfnis, was ich brauche. Der Held braucht seine Familie und deswegen will er unbedingt zurück zur Erde.
Genau dies ist ein Teil des Elixiers oder des magischen Geschenks, welches er mit zurück in die alte Welt nimmt. Den anderen Teil erhält er von seinen neuen Freunden, den Sternen. Er beinhaltet die Hilfe von Unbekannten und das tiefe Gefühl der Freundschaft. Nur beide Teile zusammen ergeben ein ganzes Elixier und damit ein klares Ziel/Bedürfnis. Am Ende der Reise kann die wichtige Erneuerung vollzogen werden.
DIE SCHWELLE ZUR RÜCKKEHR ODER DIE AMBIVALENZ
Auf dem Weg dorthin (also mit dem Erhalt des Elixiers) erlebt der Held seine Wandlung und beides – Erhalt des Magischen Geschenks in Form der wahren Berufung bzw. dem Erkennen der klaren Bedürfnisse (Ziele) und die Freundschaft mit unbekannten Sternen – ist in dieser Geschichte die eigentliche Kernaussage (das Thema = die universelle Wahrheit) für die Heldenreise. Der Held findet zu sich selbst, erkennt seine wahre Berufung (Bedürfnis/Ziel), ändert seine innere Haltung, überwindet den Tiefpunkt seiner Krise, wird dafür belohnt (Elixier) und bereichert damit sein Leben und das seiner Familie. Ein Zustand der „Ambivalenz“ – die Versuchung der Verdrängung nachzugeben, also die Gefahr, nicht zu widerstehen – ist überwunden und der Held ist bereit den Zyklus seiner Reise erfolgreich zu schließen.
Der Abstieg an der Sternenkette zur Erde ist eine weitere Prüfung und ebenso – aufgrund der Schwer-Kräfte im Universum und besonders der „Anziehung“ des Mondes – eine Schwelle zur Rückkehr. Dieser Weg ist sehr lang und nicht ungefährlich. Dem Helden werden neben Mut und Berufung, viel Ausdauer und Kraft abverlangt. Der Astronaut begibt sich bewusst in Gefahr und übernimmt damit die Verantwortung für sich selbst und seine Familie. Denn schließlich muss er beweisen, dass er es wirklich ernst meint. Doch der Held ist auf einem guten Weg. Die letzten Meter, ein sicherer Sprung, die gute Landung und vor allem der begeisterte Empfang seiner Familie …
ERNEUERUNG – HAPPY END
Der Held ist zurück in seiner alten Welt, mit der wichtigen und zugleich wunderschönen Erkenntnis, dass diese beiden Menschen (Frau und Sohn) das für ihn Wichtigste in seinem Leben sind und nichts auf dieser Welt, sogar in diesem Universum, kann den Helden von dieser Überzeugung abbringen. Die intensiven Erlebnisse und Gefühle, die sich auf dieser Reise offenbart haben, werden die ganze Familie noch mehr verbinden und glücklicher machen als je zuvor. Der wahre Held rettet nicht nur sich, sondern auch seine Mitmenschen (Familie) und gewinnt Freunde (Sterne), die ihn – ganz nah und in weiter Ferne – immer begleiten werden.
ENDE